Im ersten oder zweiten Semester meines Studiums wurde uns ganz scharf eingebläut, das kleine Wörtchen "man" nicht zu verwenden. „Beim wissenschaftlichen Schreiben hat das nichts zu suchen, sonst gibt’s Punktabzug!“ Penibel war ich hinterher dieses kleine Ungetüm auszusparen und ganz erfinderisch beim Finden immer neuer Formulierungen ohne das kleine "man". Ich war mächtig stolz auf mich und meine Formulierungskünste, die es mir erlaubten wissenschaftlich zu schreiben und dabei um das kleine Wörtchen herumzutanzen.
Wie sehr ich im allgemeinen Sprachgebrauch dieses kleine Wörtchen einsetzte, darauf hatte ich nie geachtet. Bis ich meine Ausbildung zur Mediatorin, im letzten Winter, machte. Am Ende einer kleinen Coachingeinheit, in der es darum ging über sich selbst als seine beste Freundin zu erzählen, was sowieso nicht ganz einfach ist, fragte mich plötzlich unser Trainer wer eigentlich „man“ sei. Ganz zufrieden mit meiner Performance war ich nun völlig verdutzt und wusste nicht was genau er meinte. Ich erinnerte mich allerdings an meine hervorragenden Wortbaukästen während meines wissenschaftlichen Schreibens und dachte: "Also ich hab’ doch kein Problem mit dem kleinen Wörtchen 'man', oder etwa doch?" Leider nickten auch alle anderen Teilnehmenden, denen aufgefallen war, dass ich wohl sehr oft dieses "man" verwendet hatte. Ertappt versuchte ich mich rauszureden, doch der Coach holte schnell die Kirche zurück ins Dorf. Ich lernte: die Verwendung dieses Wortes hatte nicht nur nichts beim wissenschaftlichen Schreiben zu suchen, sondern sprang auch ganz oft in die Presche, wenn man ;) sich selbst beim Erzählen von einer Sache distanzieren wollte.
Oft sagt man "ich", viel öfter sagt man "man".
Diese Coachingeinheit und der gezielte Blick des Trainers sollte nicht kritisieren, sondern uns, ganz im Gegenteil, auf Nuancen in der Gesprächsführung während eines Coachings oder Mediationsgespräches mit zukünftigen Klienten aufmerksam machen. Und tatsächlich, in Folge beobachtete ich meine Wortwahl genauer und bemerkte wie sich permanent dieses kleine Wörtchen einschlich, immer, wenn ich es schwammig halten wollte, verallgemeinerte, oder meinte, dass es so richtig nichts mit mir zu tun hat. Aber wen meint man, wenn man "man" sagt? Oder genauer formuliert, wen meine ich, wenn ich "man" sage?
In den darauffolgenden Wochen beobachtete ich alle möglichen Leute während ich mit ihnen Gespräche führte. Selbst während der eigentlichen Kommunikation fand noch Kommunikation statt, aus der ich lesen konnte und das kleine Wörtchen war immer eifrig mit dabei. Diese neue Art der Kommunikation, die ich unter anderem während meiner Ausbildung lernte, aus ihr zu lesen und genau zu beobachten stiftete ordentlich Verwirrung in meinem Kopf.
Im März waren dann meine Mutti und ihr Enkel zu Besuch. Wir saßen gemütlich beim Kaffeeklatsch und mein kleiner Neffe stopfte sich gierig einen für seine Größe riesigen Schokomuffin in den Mund. Meine Mama erzählte und erzählte. Auch sie versuchte sich vom Gesagten zu distanzieren und benutzte immer wieder das kleine Wörtchen. Ich musste öfter schmunzeln. Nach einer Weile tat ich es meinem Trainer gleich und fragte sie "Wer ist eigentlich 'man'?" Sie verstand gleich und verdrehte die Augen. Mein kleiner Neffe hingegen drehte sich mit seinem schokoladenverschmierten Mund zu mir um und sagte: "Na das ist doch wie der Opa, mit Bart!" Wir mussten herzlich lachen..